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Mit diesen Begriffen umschreibt die Lehre von den vier Elementen das
ganze Sein, den gesamten Kosmos, alles „Feinstoffliche“ -
und dies schon mindestens seit dem 5.Jahrhundert vor Christus. Neben der
frühwissenschaftlichen Alchemie und dem mystischen Geheimwissen der
Esoteriker fand die Vier - Elemente - Lehre Eingang in die
Naturwissenschaften, die Philosophie und Religion – und in die
Welt der Märchen, der Sagen – und auch der Kunst.
Wir Menschen bestehen aus den vier Elementen –
auch aus Erde, so hat es die Molekularforschung nachgewiesen – und
so sagt es die hebräische Bibel (Gen.2/7) – und zur Erde
werden wir wieder nach unserem Tod, zu „Humus“,
Nährboden, - auf diese Weise mit unserem Ursprung wieder
verbunden.
Wir Menschen bestehen aus Wasser, als Erwachsene ungefähr zu 63%,
sagt die Forschung.
Wir Menschen haben den Gebrauch des Feuer erfunden.
.Das Feuer, so haben Evolutionsforscher herausgefunden, ist eine
Entdeckung der frühen Kulturen und gehört zu den großen
„Ideen“, die unser Menschsein grundlegend verändert
haben. Erste Funde von Feuer-Werkzeugen gehen auf eine Zeit vor
mindestens 800 000 Jahren zurück (Fundort: Israel - neuerdings
noch ältere Funde in Afrika).
Wir Menschen brauchen die Luft zum Atmen – nicht
nur in unseren Lungen haben wir sie, sondern sie ist auch in unseren
Körperflüssigkeiten Bestandteil unseres molekularen Bauplans
in, zu dem neben Sauerstoff auch Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff
usw. zählen.
Luft , Atem, ist uns – folgt man den Schöpfungsberichten
verschiedener Religionen - von Gott eingehaucht worden, wir werden von
ihm belebt, animiert, am Leben erhalten, und inspiriert – nicht
nur körperlich, sondern auch als geistige Wesen.
Wir Menschen sind also Bestandteil der vier Elemente,
wir tragen sie in uns, zugleich sind wir von ihnen umgeben – sie
begegnen uns als Naturgewalten: Sturmflut, Orkan, Feuersbrunst, Lawine
und als Naturphänomene,: Flüsse, Berge, Wüsten, Wolken.
Ozeane.
Wir Menschen können unsere elementare
Verbundenheit mit den vier Elementen auch im Anschauen Deiner Bilder,
liebe Anne, erfahren – von der Erd-Wasser-Luft und Feuerfarbigkeit
Deiner Gemälde bis zur Verwendung von natürlichen
Farbpigmenten wie Erde, Sand, Lava, dazu Wasser – gemaltes und
solches für den Pinsel – ein feuriges Rot, das aus manchen
Bildern lodert, und - vor allem - das Feuer Deiner
Malerinnen-Leidenschaft.
In Deinen Landschaften können wir spazieren gehen, in
deinen Farbwellen baden, davonfliegen ins Blau des Himmels und der Luft,
eintauchen mit allen Sinnen in fremde - und vertraute - Welten.
Du hast in dieser Ausstellung Bilder zusammengestellt, mit denen Du
uns Deine enge Verbindung zur Natur, zu den vier Elementen zeigst und
zugleich unsere Verbundenheit mit ihnen bewusst machst, uns, die wir in
unserer Vergänglichkeit eingebunden sind in den Kreislauf der
Natur, in den Kreislauf von Werden und Vergehen und wieder neu
Entstehen.
Beim Betrachten Deiner BildSkulptur „Elemente“, die
alle vier Elemente in Ihrer Verbundenheit und ihrer ganzen
Schönheit zeigt,, ist mir eine uralte Geschichte eingefallen, ein
Märchen, das seit Jahrtausenden erzählt wird - in den Zelten
der Beduinen, am Lagerfeuer der Nomaden, bei Tuareg und Berbern, und
auch bei den Sufis im arabischen Raum.
Mündlich weitergegeben von Generation zu Generation, habe ich
diese Mythe vor einiger Zeit in einer französischen Sammlung von
Weisheitsgeschichten aus der Wüste gefunden: „Contes des
sages du désert“. Für Deine Vernissage heute habe ich
sie ins Deutsche übertragen und lese sie Dir und uns vor:
Die Stimme der Sandwüste
Es war einmal ein alter Fluss, der hatte sich in der Sandwüste
verlaufen.
Er war von einem hohen Gebirge heruntergekommen, das nun am Horizont
mit dem Blau des Himmels verschmolz. Er erinnerte sich daran, wie er
Wälder, Ebenen, Städte durchflossen hatte, jung, sprudelnd,
überströmend und später dann breit, stolz und
majestätisch.
Welch schlimmes Schicksal hatte ihn hierher geführt, wo er sich
zwischen diesen flachen Dünen hindurchschlängeln musste, ohne
Lauf und Flussbett? Wo sollte er nun hin, wie diese glühend
heiße und unendlich weite Sandwüste durchströmen? Er
wusste es nicht und begann zu verzweifeln.
Gerade als er vom Mut verlassen wurde, sich weiter vergeblich
abzumühen, , ertönte aus dem Sand eine Stimme, die zu ihm
sprach:
„Der Wind durchquert die Wüste, so wie der Fluss es auch
kann.“
Er antwortete, das sei unmöglich, er könne schließlich
nicht wehen wie der Wind. „Vertraue auf die sanfte Brise der Luft
und auf den starken Atem des Windes, der von selber weht.“ sprach
die Stimme abermals. “Lass dich aufnehmen und davontragen.“
Vertrauen auf den Wind, der so wagemutig und unberechenbar war?
Diesen Rat konnte er doch nicht annehmen!
Er antwortete, er sei ein Erdling, er habe bisher seine
Wasserfälle, seine Wellen und seine Strömungen immer auf
festem Boden vor sich her getrieben, das sei seine Lebenswelt und es
erscheine ihm unannehmbar, seinem eigenen Lauf nicht mehr von einem
begrenzten Horizont zum anderen zu folgen.
Da sprach die Stimme (es war mehr ein Säuseln): „Das Leben
ist Wandlung. Der Wind wird dich über die Wüste hinwegtragen,
er wird dich als Regen wieder fallen lassen und du wirst wieder zum
Fluss werden.“
Voller Angst schrie er: „Ich möchte aber der Fluss bleiben,
der ich jetzt bin!“
„Das kannst du nicht.“, sagte die Stimme der
Sandwüste. „Und wenn du so redest, weißt du nichts
über deine wahre Natur.
Der Fluss, der du jetzt bist, ist nur ein vergänglicher
Körper. Wisse, dass dein unsterbliches Wesen schon viele Male vom
Wind davongetragen wurde, in den Wolken gelebt und die Erde
wiedergefunden hat, um von Neuem zu rieseln, zu strömen und zu
springen.“ Der Fluss blieb eine Weile stumm. Und, während er
schwieg, kam ihm eine Erinnerung, schwach wie ein kaum wahrnehmbarer
Duft.
„Das ist sicher nur ein Traum.“, dachte er.
Sein Herz sagte ihm: „Und wenn dieser Traum von nun an dein
einziger Weg wäre?“
Beim Einbruch der Nacht verwandelte sich der Fluss in feinen Dunst.
Furchtsam empfing er den Wind, der ihn davontrug. Und plötzlich
vertraut mit dem Himmel, an dem die Vögel entlang segelten,
ließ er sich bis zum Gipfel eines Berges tragen.
Weit, ganz weit unter ihm flüsterte die Sandwüste: :
„Bald wird es regnen dort oben, wo die feinen, weichen Gräser
wachsen. Ein neuer Fluss wird geboren werden. Wir Sandkörner wissen
das. Von den tausend Gesichtern des Lebens wissen wir alles, wir, die
wir einander überall gleichen.“
Die Stimme spricht immer weiter, ohne Unterlass.
Die Erzählung der Sandwüste ist so unendlich wie das
Gedächtnis der Welt.
Henri Gougaud (éd.) :
Contes des sages du désert
Seuil 2002
(aus dem Französischen
ins Deutsche übertragen von
MariEl 10/09)
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