Vernissage Anne Ludwig
15 – 11 – 09
Feuer - Erde - Wasser - Luft


Einführung:
Marie Elisabeth Schneider

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Mit diesen Begriffen umschreibt die Lehre von den vier Elementen das ganze Sein, den gesamten Kosmos, alles „Feinstoffliche“ - und dies schon mindestens seit dem 5.Jahrhundert vor Christus. Neben der frühwissenschaftlichen Alchemie und dem mystischen Geheimwissen der Esoteriker fand die Vier - Elemente - Lehre Eingang in die Naturwissenschaften, die Philosophie und Religion – und in die Welt der Märchen, der Sagen – und auch der Kunst.

Wir Menschen bestehen aus den vier Elementen – auch aus Erde, so hat es die Molekularforschung nachgewiesen – und so sagt es die hebräische Bibel (Gen.2/7) – und zur Erde werden wir wieder nach unserem Tod, zu „Humus“, Nährboden, - auf diese Weise mit unserem Ursprung wieder verbunden.
Wir Menschen bestehen aus Wasser, als Erwachsene ungefähr zu 63%, sagt die Forschung.

Wir Menschen haben den Gebrauch des Feuer erfunden. .Das Feuer, so haben Evolutionsforscher herausgefunden, ist eine Entdeckung der frühen Kulturen und gehört zu den großen „Ideen“, die unser Menschsein grundlegend verändert haben. Erste Funde von Feuer-Werkzeugen gehen auf eine Zeit vor mindestens 800 000 Jahren zurück (Fundort: Israel - neuerdings noch ältere Funde in Afrika).

Wir Menschen brauchen die Luft zum Atmen – nicht nur in unseren Lungen haben wir sie, sondern sie ist auch in unseren Körperflüssigkeiten Bestandteil unseres molekularen Bauplans in, zu dem neben Sauerstoff auch Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff usw. zählen.
Luft , Atem, ist uns – folgt man den Schöpfungsberichten verschiedener Religionen - von Gott eingehaucht worden, wir werden von ihm belebt, animiert, am Leben erhalten, und inspiriert – nicht nur körperlich, sondern auch als geistige Wesen.

Wir Menschen sind also Bestandteil der vier Elemente, wir tragen sie in uns, zugleich sind wir von ihnen umgeben – sie begegnen uns als Naturgewalten: Sturmflut, Orkan, Feuersbrunst, Lawine und als Naturphänomene,: Flüsse, Berge, Wüsten, Wolken. Ozeane.

Wir Menschen können unsere elementare Verbundenheit mit den vier Elementen auch im Anschauen Deiner Bilder, liebe Anne, erfahren – von der Erd-Wasser-Luft und Feuerfarbigkeit Deiner Gemälde bis zur Verwendung von natürlichen Farbpigmenten wie Erde, Sand, Lava, dazu Wasser – gemaltes und solches für den Pinsel – ein feuriges Rot, das aus manchen Bildern lodert, und - vor allem - das Feuer Deiner Malerinnen-Leidenschaft.

error-file:TidyOut.logIn Deinen Landschaften können wir spazieren gehen, in deinen Farbwellen baden, davonfliegen ins Blau des Himmels und der Luft, eintauchen mit allen Sinnen in fremde - und vertraute - Welten.

Du hast in dieser Ausstellung Bilder zusammengestellt, mit denen Du uns Deine enge Verbindung zur Natur, zu den vier Elementen zeigst und zugleich unsere Verbundenheit mit ihnen bewusst machst, uns, die wir in unserer Vergänglichkeit eingebunden sind in den Kreislauf der Natur, in den Kreislauf von Werden und Vergehen und wieder neu Entstehen.

Beim Betrachten Deiner BildSkulptur „Elemente“, die alle vier Elemente in Ihrer Verbundenheit und ihrer ganzen Schönheit zeigt,, ist mir eine uralte Geschichte eingefallen, ein Märchen, das seit Jahrtausenden erzählt wird - in den Zelten der Beduinen, am Lagerfeuer der Nomaden, bei Tuareg und Berbern, und auch bei den Sufis im arabischen Raum.

Mündlich weitergegeben von Generation zu Generation, habe ich diese Mythe vor einiger Zeit in einer französischen Sammlung von Weisheitsgeschichten aus der Wüste gefunden: „Contes des sages du désert“. Für Deine Vernissage heute habe ich sie ins Deutsche übertragen und lese sie Dir und uns vor:


Die Stimme der Sandwüste

Es war einmal ein alter Fluss, der hatte sich in der Sandwüste verlaufen.
Er war von einem hohen Gebirge heruntergekommen, das nun am Horizont mit dem Blau des Himmels verschmolz. Er erinnerte sich daran, wie er Wälder, Ebenen, Städte durchflossen hatte, jung, sprudelnd, überströmend und später dann breit, stolz und majestätisch.
Welch schlimmes Schicksal hatte ihn hierher geführt, wo er sich zwischen diesen flachen Dünen hindurchschlängeln musste, ohne Lauf und Flussbett? Wo sollte er nun hin, wie diese glühend heiße und unendlich weite Sandwüste durchströmen? Er wusste es nicht und begann zu verzweifeln.
Gerade als er vom Mut verlassen wurde, sich weiter vergeblich abzumühen, , ertönte aus dem Sand eine Stimme, die zu ihm sprach:
„Der Wind durchquert die Wüste, so wie der Fluss es auch kann.“
Er antwortete, das sei unmöglich, er könne schließlich nicht wehen wie der Wind. „Vertraue auf die sanfte Brise der Luft und auf den starken Atem des Windes, der von selber weht.“ sprach die Stimme abermals. “Lass dich aufnehmen und davontragen.“ Vertrauen auf den Wind, der so wagemutig und unberechenbar war?
Diesen Rat konnte er doch nicht annehmen!
Er antwortete, er sei ein Erdling, er habe bisher seine Wasserfälle, seine Wellen und seine Strömungen immer auf festem Boden vor sich her getrieben, das sei seine Lebenswelt und es erscheine ihm unannehmbar, seinem eigenen Lauf nicht mehr von einem begrenzten Horizont zum anderen zu folgen.
Da sprach die Stimme (es war mehr ein Säuseln): „Das Leben ist Wandlung. Der Wind wird dich über die Wüste hinwegtragen, er wird dich als Regen wieder fallen lassen und du wirst wieder zum Fluss werden.“
Voller Angst schrie er: „Ich möchte aber der Fluss bleiben, der ich jetzt bin!“
„Das kannst du nicht.“, sagte die Stimme der Sandwüste. „Und wenn du so redest, weißt du nichts über deine wahre Natur.
Der Fluss, der du jetzt bist, ist nur ein vergänglicher Körper. Wisse, dass dein unsterbliches Wesen schon viele Male vom Wind davongetragen wurde, in den Wolken gelebt und die Erde wiedergefunden hat, um von Neuem zu rieseln, zu strömen und zu springen.“ Der Fluss blieb eine Weile stumm. Und, während er schwieg, kam ihm eine Erinnerung, schwach wie ein kaum wahrnehmbarer Duft.
„Das ist sicher nur ein Traum.“, dachte er.
Sein Herz sagte ihm: „Und wenn dieser Traum von nun an dein einziger Weg wäre?“
Beim Einbruch der Nacht verwandelte sich der Fluss in feinen Dunst. Furchtsam empfing er den Wind, der ihn davontrug. Und plötzlich vertraut mit dem Himmel, an dem die Vögel entlang segelten, ließ er sich bis zum Gipfel eines Berges tragen.
Weit, ganz weit unter ihm flüsterte die Sandwüste: : „Bald wird es regnen dort oben, wo die feinen, weichen Gräser wachsen. Ein neuer Fluss wird geboren werden. Wir Sandkörner wissen das. Von den tausend Gesichtern des Lebens wissen wir alles, wir, die wir einander überall gleichen.“
Die Stimme spricht immer weiter, ohne Unterlass.
Die Erzählung der Sandwüste ist so unendlich wie das Gedächtnis der Welt.


Henri Gougaud (éd.) :
Contes des sages du désert
Seuil 2002
(aus dem Französischen
ins Deutsche übertragen von
MariEl 10/09)


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