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Elisabeth Schneider: Bildresonanz II
Liebe Anne Ludwig, liebe Gäste der Vernissage,
Gemälde in Tausend und einer Farbe,
Bilder im ökumenischen Bildungszentrum sanctclara,
Bilder von Anne Ludwig.
Für mich sind Deine Gemälde, liebe Anne Ludwig, Bilder, die mich
befähigen, im wahren Wort-Sinn „im Bild“ zu sein.
- zum einen durch die Perspektive, die mich als Betrachtende mit ins Bild
nimmt, mir möglich macht, mich ins Bild zu setzen und zu versetzen.
- zum anderen durch die Bildinhalte, die gleichermaßen Bildungsinhalte
und Sinnbilder sind:
Auf viele Reisen bin ich schon mit Deinen Bildern gegangen – auf den
Spuren jüdischen Lebens war ich in Worms, in Prag und in der Pfalz, habe
in Speyer Details des Doms ganz neu
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gesehen, die Portale sakraler Bauten durchschritten, bin in den
marokkanischen Souks in den Rausch der Farben und Gerüche eingetaucht -
zuletzt durfte ich mit auf die arabische Halbinsel – und dort war ich
auch in der Wüste. Die Wüste – Ort meiner Sehnsucht –
Traumlandschaft – symbolisch auf arabisch „Meer ohne
Wasser“ mit sanft auf den Sand-Wellen dahin schaukelnden
„Wüstenschiffen“ ...
- wie gern würde ich einmal auf einem Kamel reiten!
Oder unter Palmen in einer Oase ausruhen.
Oder - in einem Beduinenzelt sitzen und einer orientalischen Erzählung
lauschen.
Da – eine Fata morgana?
Oder – um im Bild zu bleiben – eine Einbildung?
Ein Beduine kommt auf mich zu.
Rasch schreitet er mir entgegen in seinem weißen, fast priesterlichen
Gewand,
die Füße im heißen Sand.
Er kommt auf mich zu in der unendlichen Weite der farbig-hellen Wüste
und des unergründlich tiefen ozeanblauen Himmels, einer Landschaft, die
fast den Rahmen des kleinen Bildformats sprengt, die bis zu mir reicht und
mich von allen Seiten umgibt, mich ins Bild hineinzieht und dem
„Wüstenwanderer“ entgegen gehen lässt. Nun ist er ganz
nah, berührt mich leicht am Arm und bedeutet mir, mit zu kommen in sein
geflicktes dunkelrotes Zelt, ein großes, fast wie ein Haus.
Schon folge ich ihm – er schlägt die Zeltbahn am Eingang zur
Seite –
ein Windspiel bewegt sich im Lufthauch und tönt seine zarte
Melodie.
Das Innere des Zeltes ist in warmes Dämmerlicht getaucht, vor den
Zeltbahnen hängen kostbare Tücher von der Decke herab, im hinteren
Teil sitzt ein ganz in Braun-Schwarz gehüllter Musiker und spielt auf
einem Saiteninstrument eine orientalisch-rhythmische Weise.
Der Beduine verbeugt sich, bedeutet mir, mich auf einem weichen
Polsterkissen am Boden niederzulassen und setzt sich dann mit gekreuzten
Beinen mir gegenüber auf seinen in ornamentalen Mustern gewebten
Teppich.
Nun bietet er mir aus einem Krug kühles Wasser an, gießt es in
einen tönernen Becher, reicht mir dazu ein paar getrocknete Datteln und
ungeschälte Mandelkerne auf einem Teller aus gebrannter Erde.
Nie hat mir Wasser köstlicher geschmeckt als hier!
Und jetzt erst redet der Beduine mich an – auf Französisch, das
verstehe ich einigermaßen.
Veuillez écouter une histoire. C’est un conte que les sages du
désert racontent depuis des siècles…
Er wolle, so spricht er, mir eine Geschichte erzählen. Es sei eine
uralte Geschichte, eine aus dem frühen 9.Jahrhundert, überliefert
von Derwischen aus dem Stamm der Aniza.
Sie handle von Herrschaftswissen und Bildung, vielleicht auch von
Herzensbildung – ich möge das am Ende selbst entscheiden.
Es sei eine sperrige Geschichte, auch weil Harun-ar-Raschid darin eine
wichtige Rolle spiele – und der sei schließlich in seiner
historischen Bedeutung umstritten, auch wenn er in den Geschichten aus
Tausend-und-einer-Nacht als weiser Kalif von Bagdad verehrt werde.
Am besten solle ich mir selbst mein Urteil bilden.
Und das ist die Geschichte.
Sie handelt – wie könnte es in der Wüste anders sein –
vom Wasser.
Ich habe sie in einer deutschen Übersetzung mitgebracht.
In der orientalischen Version dauert sie schätzungsweise
Tausend-und-eine-Nacht. Deshalb lese ich heute nur die Kurzfassung vor
(zwei Minuten!):
Die Geschichte von den zwei Welten oder Das Wasser des
Paradieses
Harith, der Beduine, und sein Weib Nafis führten ein Wanderleben
und schlugen ihr geflicktes Zelt da auf, wo sich auch nur wenige Dattelpalmen
fanden, karge struppige Gräser für ihre Kamele oder ein Tümpel
mit fauligem Brackwasser.
So lebten sie seit vielen Jahren, und Harith tat alle Tage fast immer
dasselbe: Er fing Wüstenratten wegen ihres Felles; er drehte Seile aus
Palmfasern, die er an vorbeiziehende Karawanen verkaufte.
Eines Tages jedoch entsprang mitten in der Sandwüste eine neue Quelle,
und Harith schöpfte ein wenig Wasser daraus und trank es. Er glaubte, es
sei ganz bestimmt das Wasser des Paradieses, denn es schmeckte viel weniger
faulig als jenes, das er für gewöhnlich zu trinken bekam.
Wir allerdings hätten es ungenießbar salzig gefunden.
„Dieses Wasser“, so sprach er zu sich, „muss ich jemandem
bringen, der es zu schätzen weiß!“
So machte er sich schließlich auf nach Bagdad zum Palast des
Harun-ar-Raschid, und unterwegs rastete er nicht länger als man braucht,
um ein paar trockene Datteln zu kauen. Harith hatte seinem Kamel zwei
Ziegenbälge mit Wasser aufgeladen, einen für sich selbst, den
anderen für den Kalifen.
Nach einer beschwerlichen Reise von vielen Tagen erreichte er
schließlich Bagdad und begab sich ohne Umschweife zum Palast
Harun-ar-Raschids.
Die Palastwachen hörten sich seine Geschichte an und nur, weil sie dazu
angehalten waren, jeden einzulassen, der begehrte, an der öffentlichen
Audienz des Harun teilzunehmen, ließen sie ihn ein.
„Führer der Gläubigen“, sagte Harith, „ ich bin
ein armer Beduine und kenne alle Gewässer der Wüste, wenn ich auch
sonst wohl wenig von anderen Dingen weiß. Ich habe soeben dieses
„ Wasser des Paradieses“ entdeckt, und als ich erkannte, dies sei
ein würdiges Geschenk für dich, eine Gabe, die dir gebührt,
weiser Herrscher, bin ich sogleich hergekommen und bringe sie dir
dar.“
Harun, der Redliche, kostete von dem „Wasser des Paradieses“ und
befahl den Palastwächtern, Harith für eine Weile wegzuführen
und in Gewahrsam zu nehmen, bis er über ihn und sein Geschenk
beratschlagt habe.
Nachdem er lange nachgedacht hatte, ließ er die Wächter zu sich
rufen und sprach: “Was für uns ein Nichts, ist für ihn alles.
Bringt ihn daher bei Nacht aus dem Palast. Lasst ihn nicht den mächtigen
Tigrisfluss sehen. Geleitet ihn durch die Wüste bis zu seinem Zelt und
gestattet ihm unterwegs nicht, süßes Wasser zu versuchen.
Gebt ihm 1000 Goldstücke und dankt ihm in meinem Namen für seinen
Dienst und seine Gabe.
Sagt ihm sodann, dass er von nun an der Wächter des Paradieswassers ist
und dass er es von nun an in meinem Namen für alle Reisenden verwalten
und ihnen unentgeltlich austeilen darf.“
(nach: Idries Shah:
Die drei Wahrheiten. Weisheitsgeschichten der Sufis. Herder spektrum
2007)
In der Wüste vom Wasser des Paradieses zu trinken, wer wünscht
sich das nicht?
Mit Deinen Bildern, liebe Anne Ludwig, kann man es – das
Paradies-Wasser sehen und schmecken!
Vielleicht hat sich auch der Psalmist nach einer anderen, einer
„zweiten“ Welt gesehnt, als er in Alltagshast und Bedrängnis
der Ruhe der Wüste gedacht und gedichtet hat in Psalm 55, Vers 7 und 8
(zitiert nach Luther):
„ ...Oh hätte ich Flügel wie Tauben,
dass ich wegflöge und Ruhe fände!
Siehe, so wollte ich in die Ferne fliehen
und in der Wüste bleiben..."
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